Saxofonist Gilad Atzmon wirbt für Aussöhnung in Palästina
»Orient House Ensemble« präsentiert klasse Musik mit politischer Botschaft im Kappelrodecker »Vaya Casa«
By Berthold Gallinat
Ein äußerst streitbarer Musiker hatte am Sonntagabend im »Vaya Casa« seinen Auftritt: Gilad Atzmon und sein »Orient House Ensemble«. Unbestreitlich ist seine musikalische Qualität, denn er gehört zu den großen Saxofonisten der Gegenwart. Streiten kann man hingegen über seine politischen Ansichten zur jüdischen Identität und zum Holocaust sowie besonders zum israelischen Staat im Umgang mit den Palästinensern. In Jerusalem 1963 als Israeli geboren, hielt sich Gilad Atzmon ab 1993 vor allem in Großbritannien auf; seit 2002 ist er britischer Staatsbürger. In mehreren, sehr umstrittenen Büchern wirft er dem israelischen Staat eine ethnozentrische Ideologie vor, die eine Aussöhnung mit den Palästinensern auf Dauer verhindere.
Auf heiklem Terrain
Diese Aussöhnung nimmt er in seiner Jazzmusik vor, denn mit seinem »Orient House Ensemble« spielt er auch Musik, in der sich jüdische und arabische Musiktradition vereinen. So versöhnt er musikalisch, was auf politischer Ebene nicht gelingt. Der Name »Orient House Ensemble« geht im Übrigen auf das frühere PLO-Hauptquartier in Ostjerusalem zurück. In »Gaza Mon Amour« kam Gilads Botschaft prall und lebendig zum Ausdruck, mal tänzerisch leicht, mal gebetsmühlenartig schwer und dann auch wieder schreiend expressiv. Unverkennbar kam als Wesenselement seiner Jazzmusik die Tradition des Bebop zur Geltung, wenn er in berstenden Improvisationen bis fast zur Erschöpfung rasende und nervöse Phrasen hinfetzte, die seine großartigen Mitspieler Frank Harrison (Piano, Keyboard), Yaron Stavi (Bass) und Enzo Zirilli (Drums) dann wieder in feiner Jazzlyrik oder auch in swingender Rhythmik auflösten.
Wie feine Sektperlen ließ Frank Harrrison beim Vortrag »In A Sentimental Mood« die Töne aus dem E-Piano aufsteigen, akzentuiert mit behutsamen Bassklängen untermalt von Yaron Stavi und gegründet auf ganz fein gestrichenen Drums des Drummers Enzo Zirilli. Es war neben dem Anfangsstück »The Romantic Church« eines der wenigen Stücke, in denen auch Atzmon mit rauchigem Saxofonspiel eine intensive Ruhe ausstrahlte, in »The Burning Bush« dagegen spielte er es wieder expressiv hart.
Im Laufe des Konzerts wechselte Gilad Atzmon Sopransaxofon und Tenorsaxofon und griff auch einmal, wie er es nannte, zu seinem neuen Spielzeug, einem Altsaxofon mit schwenkbarem Schallbecher. Nicht zuletzt stellte er im Stück »The Song« eindrücklich unter Beweis – auch wenn er mitteilte, er könne es gar nicht spielen –, dass auch die Ziehharmonika als Jazzinstrument geeignet ist. Dem großen Jazzmusiker John Coltrane war eine Ballade gewidmet und mit »The Whistle Blower« spielten Gilad Atzmon und sein »Orient House Ensemble« das Titelstück des neuen Albums. Es war ein spannender Jazz, den Atzmon und seine Mitspieler spielten, wobei in Atzmons Spiel die harten, expressiven Linien überwogen.